Manfred Christian – Rede zur Trauerfeier am 27.05.2020

Liebe Erika, lieber Herr Christian, liebe Trauergäste.
Wir haben uns heute zu dieser Trauerfeier versammelt, um Manfred Christian die letzte Ehre zu erweisen. Wir alle waren sehr betroffen als wir die Nachricht vom Tode Manfreds erhalten haben. Wir alle trauern mit Dir, liebe Erika.
Leider war es ihm nicht vergönnt, seinen 90. Geburtstag am 24. April dieses Jahres zu feiern. Aber Manfred konnte auf ein glückliches, erfolgreiches und erfülltes Leben gemeinsam mit Dir, liebe Erika, zurückblicken.
Manfred Christian war ein Kämpfer. Und das sozusagen von Geburt an. Wer seine Vita liest, stößt auf Stationen seines Lebens, die nur eine Kämpfernatur durchstehen und erfolgreich meistern kann. Manfred wurde am 24.April 1930 in Tempelhof geboren und erkrankte bereits im Alter von 2 Jahren an Kinderlähmung. Zahlreiche Krankenhausaufenthalte fern von Eltern und Geschwistern folgten. Er ist dennoch seinen Weg gegangen.
Unterstützt von der Familie und den Ärzten. Es gelang immerhin die Lähmung des gesamten Körpers auf die Beine zu reduzieren.
Trotz dieses schlechten Starts bedingt durch seine Behinderung, trotz Krieg und Nachkriegsnot erklomm er überSchule, Lehre, Verwaltungsakademie und vielfältige Qualifizierungen die Leiter einer beachtlichen beruflichen und politischen Karriere.Er blieb bis zum Schluss eine Kämpfernatur.

Eine seiner Leidenschaften galt der SPD, vermutlich bedingt durch die Erfahrungen seines eigenen Schicksals, die Bedrohungen West-Berlins, die Persönlichkeit Willy Brandts und den Wunsch an der politischen Gestaltung
von Demokratie, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit mitzuwirken.
Von 1962 bis zu seinem Tod, also 58 Jahre war er Mitglied der SPD, davon rund 50 Jahre haupt- und ehrenamtlich aktiver Mitstreiter in SPD und AWO. Dem geschäftsführenden Kreisvorstand der Tempelhofer SPD gehörte er 23 Jahre an. 14 Jahre zwischen 1981 und 1995 übte er das Amt des stellvertretenden Bürgermeisters und Stadtrats für Gesundheit und Umweltschutz des Bezirks Tempelhof aus.
Ich erinnere mich sehr gut, an unsere gemeinsame Arbeit als Kreisvorsitzende der Tempelhofer SPD. Wir waren ein gutes Team. Wir hatten Vertrauen zueinander. Und dieses Vertrauen wurde nie enttäuscht. Zuverlässigkeit, Loyalität und großes Engagement waren in unserer Zusammenarbeit selbstverständlich.
Ich erinnere mich an unsere Wahlkämpfe, die akribischen Arbeiten an Wahlprogrammen, an der Tempelhofer Stimme, an Plakaten und Zeitungsbeiträgen.
Ich erinnere mich an unsere Veranstaltungen mit den „Großen“ der deutschen Sozialdemokratie mit Willy Brandt, Helmut Schmidt, Johannes Rau und Jochen Vogel in unserem Bezirk.
Und Manfred Christian – immer dabei – war Ideengeber, Mitgestalter und Organisator.
Aber nicht nur die Großveranstaltungen waren seine Sache, vor allem auch die Arbeit vor Ort: die legendären Skatturniere waren Highlights in der Skatgemeinde des Bezirks, ebenso Ed Kochs Grünkohlessen, dass er über
viele Jahre hinweg mit seiner Tischrede prägte.
Alles in allem verwundert nicht, dass Manfred 1992 seinen Wahlkampf als Spitzenkandidat der SPD für das Amt des Bezirksbürgermeisters unter das Motto stellte „Einer von uns“. Genau das wollte er immer sein!
Manfred war ein geselliger, humorvoller Mensch, der sich in der Gemeinschaft außerordentlich wohl fühlte. Er war ein wunderbarer Unterhalter. Nach seinen ersten Erfahrungen im Amt des Gesundheitsstadtrats erklärte er uns beispielsweise, dass er inzwischen das Geschäft verstanden habe und zitierte mit verschmitztem Blick Eugen Roth:
„Der Kranke traut nur widerwillig dem Arzt, der's schmerzlos macht und billig. Lasst nie den alten Grundsatz rosten: Es muss a) wehtun, b) was kosten“.
Auf Klausurtagungen, in Sitzungen oder auch auf Reisen verstand er es die Gruppen bei Laune und bei der Stange zu halten.
Auf diese Weise konnte er manch Gordischen Parteiknoten lösen und Kontrahenten veranlassen, aufeinander zu zugehen. Bei der Vermittlung halfen seine Glaubwürdigkeit und sein ehrliches Auftreten. Das galt innerhalb der SPD genauso wie innerhalb der BVV und des Bezirksamtskollegiums. Das Zusammenführen von Menschen war
eine seine großen Stärken.

Eine weitere Leidenschaft galt dem Bezirk Tempelhof. Hier geboren und aufgewachsen, verband er sein Leben mit dem Bezirk, beruflich und politisch. Vom Dienstanwärter zum Sekretär der Bürgermeister Mürre und Hoffmann, der Büroleitung der Abteilung Sozialwesen, zum Leiter der Verwaltungsrevision und der bezirklichen Planung im Jahre 1973. Alles von der Pike auf gelernt, wie er gern betonte.
Seinem Tempelhof wurde er nur einmal im Leben untreu, nämlich 1974 mit seinem Wechsel aus dem Bezirksamt in die Senatsverwaltung für Gesundheit und Umweltschutz als Pressesprecher später als Leiter des Referats Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des damaligen Senators Erich Pätzold.
Erich Paetzold hatte mit Manfred Christian einen sehr guten Griff gemacht. Immer loyal, zuverlässig und bestens verdrahtet.
Der Politiker Manfred Christian war immer ein Mann der Tat. „Ich bin mehr Praktiker als Theoretiker“ sagte er anlässlich seiner Verabschiedung aus dem Tempelhofer Bezirksamt im April 1995.
Seine Ziele waren immer konkret. Das kam dem Bezirk Tempelhof sehr zu Gute: Die Verbesserung der Lebensumstände, die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur, die Verbesserung der öffentlichen Serviceleistungen standen im Fokus seines Handels.
Heruntergebrochen auf Tempelhof hieß das z. B. die Rettung und Ertüchtigung des Wenckebach-Krankenhauses.
Nachdem er in 1982/83 die Wirtschaftlichkeit des Hauses hatte darlegen können, beschlossen Senat und Abgeordnetenhaus – entgegen ihrer ursprünglichen Absicht- die Grundsanierung der Anlage und mehrere
Neubauten.
Manfred Christian hat sich um das Wenckebach-Krankenhaus und damit um die Gesundheitsinfrastruktur des Bezirks verdient gemacht.
Ein weiteres wichtiges Anliegen waren ihm die Schaffung Behinderten gerechter Bedingungen im öffentlichen Raum – so ließ er das Gesundheitsamt behindertengerecht umbauen und drängte auf die Ausweitung solcher Maßnahmen im ganzen Bezirk.
Ebenso auf der Prioritätenliste standen die Einrichtung von Wohngemeinschaften für geistig behinderte Menschen, die Errichtung einer psychiatrischen Tagesklinik – der ersten in Berlin- oder auch die Schaffung einer zahnärztlichen Einrichtung für körperlich und geistig behinderte Kinder.
Später in seiner Eigenschaft als AWO Kreisvorsitzender erwarb er für die AWO Tempelhof die zwischenzeitlich ziemlich heruntergekommene Spukvilla und modernisierte das heute über 150 Jahre alte Fachwerkhaus, um eine Heimstatt für das soziale und gesellschaftliche Leben zu schaffen. Die Spukvilla erstrahlte in neuem Gewand und wurde zum beliebten Treffpunkt der AWO und vieler befreundeter Gruppen und Projekte.
Gegen Ungerechtigkeiten lehnte er sich auf: So z.B. als im Jahre 1975 die 1966 offiziell von Berlin angeworbenen koreanischen Krankenschwestern abgeschoben werden sollten. Boky und Gerd Köhn, ein deutsch-koreanisches Ehepaar, das heute unter uns ist, sind ihm bis heute für sein erfolgreiches Engagement dankbar.
In seinem Bemühen um den Umweltschutz baute er gemeinsam mit Bürgerinitiativen, der SPD und Anwohnern Druck auf, um die von der Batteriefirma Sonnenschein verursachte Blei-Kontaminierung der umliegenden Wohngebiete endgültig abzustellen. Ergebnis: Die Batteriefabrik wurde schließlich 1995 geschlossen.

Manfred war Politiker, Praktiker und Mensch. Alle drei Elemente waren untrennbar miteinander verbunden. Manfred war ein freundlicher, respektvoller, ein angenehmer Chef. So war es von vielen Mitarbeitern des
Gesundheitsamtes zu hören. Bester Beweis hierfür war unter anderem die langjährige, fast 20jährige Zusammenarbeit mit Frau Tripke/heute Frau Willkommen.
Auch in den vielen Gremien genoss er nicht nur wegen seiner Sachkenntnis, sondern wegen seines Umgangstons hohen Respekt. Allerdings konnte auch er, wenn erforderlich, so wird allenthalben berichtet, auch ungemütlich werden, um seine Ziele und Projekte durchzusetzen.
„Für den Ruhestand viel zu jung“ hieß es anlässlich seiner Verabschiedung aus dem Bezirksamt im April 1995. Schon am 1. Mai desselben Jahres begann eine neue, nun ehrenamtliche, aber nicht weniger interessante
Aufgabe als Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt Tempelhof.

Damit konnte er in vielfältiger Weise seine Arbeit für sozial Benachteiligte und soziale Gerechtigkeit fortsetzen. ( – im AWO Landesvorstand, als Vorsitzender des Aufsichtsrats des Lore-Lipschitz-Pflegeheims und den Gremien verschiedener anderer Pflegeinrichtungen.)
Für all diese Leistungen, vor allem das soziale Wirken, erhielt Manfred Christian im Jahre 2005 das vom Bundespräsidenten verliehene Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Ich sprach von Manfreds Leidenschaften: Seine größte Leidenschaft gehörte zweifelsfrei seiner Frau Erika und seiner Familie. Sie waren die entscheidende Basis in Manfreds Leben. Sie verliehen ihm Stärke und Souveränität. Der 55jährige Lebensbund mit Erika war eine glückliche Fügung. Sie lernten sich am Arbeitsplatz im Rathaus Tempelhof kennen. Aus dienstlichen Kontakten und gemeinsamen persönlichen Interessen wurde Liebe. Am 29.November 1968 wurde geheiratet.
Toleranz, Fürsorge und gegenseitige Unterstützung nach dem Motto „Nur gemeinsam sind wir stark“ hat die Christians durch ein abwechslungsreiches, beruflich anspruchsvolles und zugleich glückliches Leben getragen.
Dazu gehörten auch die schönen Dinge: wie die jährlichen Sommerreisen zum malerischen dänischen Gammel Skagen.
Schwimmen und Tauchen waren sein Element. Wie Erika meinte, war ihm keine Sandbank zu weit. Auch die maledivischen Inseln mit ihren wunderbaren Tauchrevieren wurden bereist. Gemeinsam mit Erika und auch mitden Freunden der DLRG, für die Manfred ebenfalls ehrenamtlich tätig war.
Erika und Manfred pflegten ihre Freundschaften und die Familie, zu der in den vielen Jahren auch die Kätzchen Coco und Nicki gehörten. Leider sind Manfreds drei Brüder bereits verstorben. Dankenswerter Weise hat
Manfreds Neffe, der heute hier anwesende Herr Christian, den elterlichen Bauernhof in Dargardt/ Brandenburg nach der Wende liebevoll wiederaufgebaut. Dieser Bauernhof diente lange Zeit als annehmlicher Familien-Treffpunkt.

Liebe Erika, lieber Herr Christian, liebe Trauergäste,
wie Michael Müller, unser Reg. Bürgermeister, in seinem Kondolenzschreiben an Erika Christian formuliert hat, „haben wir, nicht nur eine Persönlichkeit mit außerordentlichem politischem und gesellschaftlichem Engagement verloren; Nein, sondern auch einen Freund, der stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte anderer hatte und der von einem tiefen Gerechtigkeitsempfinden geleitet wurde, das alle spürten, die mit ihm in Kontakt standen.“
Wir danken Manfred für sein Engagement und die gemeinsame Zeit produktiver und zugleich freundschaftlicher Zusammenarbeit.
Wir haben mit Manfred einen guten und verlässlichen Freund, einen aufrechten Sozialdemokraten, einen Menschen mit Herz und Humor verloren.
Wir alle werden ihn nicht vergessen! Ich wünsche Dir, liebe Erika, sehr viel Kraft, um den schmerzvollen Verlust Deines lieben Ehemannes, Deines Manfred, zu verarbeiten.

Die Trauerrede hielt Dr. Ditmar Staffelt.

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