Meine Schwiegermutter

Die Uhr ging auf Mittag zu. Wachwechsel im Krankenhaus. Meine Schwiegermutter lag im Sterben.

In den letzten beiden Tagen hatten wir uns geschworen, die Sprache des anderen zu lernen. Ich hatte mir Lernkassetten bei Kiepert gekauft, sie fing an mit Händen und Füssen und einem Lächeln mit den Krankenschwestern zu kommunizieren. Die Schmerzen waren groß geworden, unerträglich, ihr Körper bäumte sich auf. Der Krebs war überall. Das Morphium wirkte in der Dosis nicht mehr. Ich rannte in das Schwesternzimmer, es war gerade Pause, Kaffee dampfte auf dem Tisch. Der eine Chefarzt war schon gegangen, der neue noch nicht da. Ein Machtvakuum. Keiner fühlte sich zuständig, die Dosis höher zu setzen, um die Schmerzen zu nehmen. ich wusste nicht, dass das das Ende bedeuten würde, ich wusste nur, die Schmerzen mussten weg. Ich brachte die Schwester dazu, das Morphium höher zu dosieren, und damit meine Schwiegermutter um. Nur 53 Jahre war sie alt geworden, viel zu kurz. Wir hatten ihr nicht mehr helfen können, aber wir waren dabei gewesen und hatten alles gegeben. Es war ein trauriges Erlebnis, nicht schön, Worte fehlen mir noch heute, fast 20 Jahre später, aber es war ein Stück Leben, das sich in meine Erinnerung gebrannt hat und noch gegenwärtig ist.

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